Die Niederlande

Beim Aussortieren und Bearbeiten meiner Fotos ist mir bewusst geworden, wie froh ich bin, dass ich in den Niederlanden so viel Fahrrad gefahren bin. Würde man sich ausschließlich die Fotos angucken, könnte man meinen, ich hätte mich durch das Land gegessen und nicht gefahren – und eigentlich … stimmt das auch. Das Fahrrad war sozusagen nur das Mittel zum Zweck.

Ich liebe dieses Land und seine Einwohner einfach so sehr, dass ich nicht oft genug dort sein kann. Also haben ich das Fahrrad ins Auto gepackt und beschlossen, das Land einmal so zu erkunden. Dieses Mal nahm ich nicht meine richtige Kamera mit, sondern lediglich meine kleine Digitalkamera, die in meine Jackentasche passt – was ihr vermutlich an der Qualität der Fotos erkennen könnt. Bitte verzeiht, aber hätte ich meine Kamera dabei gehabt, hätte ich täglich nur wenige Kilometer Strecke geschafft, weil ich an jeder Ecke hätte anhalten wollen. Mit der Digitalkamera war das Ganze weniger künsterlisch und mehr zweckmäßig, dafür habe ich meine gesteckten Ziele eingehalten.

Im Vorfeld habe ich mich bewusst für zwei Stationen entschieden: Die eine nördlich und die andere südlich von Amsterdam, damit ich möglichst viel erfahren (Achtung, Wortwitz!) kann. Im Norden wählte ich das kleine, verträumte Dörfchen Jisp und das dortige Bed & Breakfast Het Lepelaarsnest. Jisp ist so klein, dass es nicht einmal die Niederländer wirklich kennen, aber es ist eine absolute Herzensempfehlung meinerseits. Es ist so ruhig und idyllisch und einfach … so wie man sich die Niederlanden eben vorstellt. Andre, mein Host, ist jeden Morgen für den Einkauf zu den lokalen Bauern, die jeden Morgen andere Zutaten vorbereitet und ernteten, aus denen er mir ein immer anderes, sagenhaftes Frühstück zauberte (oder auch zwei … einmal sogar auch drei – please don’t judge me!).

Ein Dorf weiter ist sein eigentlicher Betrieb: Ein Sternerestaurant. Das B&B betreibt er als Hobby und kleinen Traum, den er schon sein Leben lang hatte. Erst vor 1.5 Jahren kaufte er das Gut und baute es um. Dass es „nur“ ein Hobby ist, merkt man allerdings auch nur daran, mit wieviel Leidenschaft und Liebe er es betreibt, nicht daran, dass er es vernachlässigen würde.

Von Jisp aus startete ich meine erste – und längste – Tour nach Zandvoort (und zurück). Als Kind bin ich schon einmal hier gewesen und in meiner Erinnerung war es zauberhaft, maritim und fast schon mystisch. Deshalb wollte ich es unbedingt nochmal sehen! Allerdings war hier der Weg das Ziel. Zandvoort ist mittlerweile zu einem touristenüberfüllten, rennautobegeisterten Betonklotz geworden, der all seinen Charme nicht nur verloren, sondern im Meer ertränkt hat.

Der Weg dorthin war aber wirklich schön. Die Touren habe ich mir alle vorher mit dem Radroutenplaner zurecht gelegt und zwischendurch spontan mit Hilfe von Wegpunkten abgeändert. Ich empfehle die Strecke durch Haarlem, in dem man etwa zur Mittagessenszeit ankommt. Diese verbrachte ich in dem Café by LIMA mit leckeren Salaten und selbstgebrauten (alkoholfreien) Limonaden.

Die Strecke ist sehr abwechslungsreich. Durch Felder, über Flüsse, mit der Fähre, durch schöne Städte, entlang an Kanälen und am Ende über Sand, erreicht man schlussendlich das Meer. Wirklich viel kann ich dazu gar nicht sagen. Man sollte einfach mal mit eigenem Bewusstsein spüren, welch beruhigende Wirkung so ein Fahrradurlaub in den Niederlanden hat.

Wer mit dem Fahrrad da ist, darf die Fähren übrigens kostenfrei nutzen.

Warum vor einer Neuapostolischen Kirchen ein Einhorn steht, ist mir bis heute nicht ganz klar. Vielleicht ist das ihre Art von Trendmarketing, um neue Mitglieder zu generieren.

Ganz wichtig ist allerdings, dass man sich im Vorfeld über die Verkehrsregeln informiert und streng daran hält. Nur dann können es alle Verkehrsteilnehmer weiterhin auch in Zukunft genießen. Die Fahrradwege selber sind hervorragend gekennzeichnet, sodass man sich vorab nur die grobe Strecke überlegen und vor Ort dann von Wegpunkt zu Wegpunkt fahren muss. Bequemer und übersichtlicher kann es einem kaum gemacht werden. Danke, Niederlande, dafür!

Ich sage gerne: Wer in Amsterdam war, war nicht in den Niederlanden. Dieses Land hat so viel mehr zu bieten, als betrunkene Junggesellenabschiede, das Rotlichtviertel und seine Schaufenster, verdreckte Grachten oder Coffeeshops. Aber natürlich bin ich auch mal wieder nach Amsterdam, weil meine Begleitung noch nie dort war. Mein Fazit teilt er allerdings, nachdem ich ihm einen kleinen Teil des Restlandes gezeigt habe. Sogar der berühmte Blumenmarkt, auf dem ich vor Jahrzehnten aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen bin, besteht mittlerweile nur noch aus wenigen Bruchbuden, an den man lediglich Touristenkrempel kaufen kann. So verbrachten wir nach wenigen, aber außreichenden Eindrücken den Tag mit Shopping und vor allem: Essen.

Wer sich das Chaos nicht antun möchte, mit dem Auto nach Amsterdam zu fahren, dem empfehle ich das P&R Sloterdijk. Das Parken für 24h kostet 1€ und mit einer Tageskarte für 5€ pro Person fährt man mit dem Zug direkt ab dem (überwachten) Parkplatz innerhalb von wenigen Minuten in die Innenstadt.

Meine Lieblingsroute führte entlang dem Ijsselmeer nach Enkhuizen. Man fährt fast die gesamte Strecke direkt am Meer fahren, freut sich nach jeder zweiten Kurve über Rückenwind und kann den Rest der Zeit seinem Tacho dabei zusehen, wie der Gegenwind die Geschwindigkeit drosselt. Süß, wie sehr ich ihn vorab unterschätzte. Vorbei an Kitesurfern, vereinzelten Höfen, Windmühlen und den schönsten Landschaften mit einer Mittagspause in Hoorn, erreicht man Enkhuizen mit salzwassergetränkter Haut und Sand in den Haaren. Ganz so romantisch war es vermutlich nicht, denn der Gegenwind macht einem wirklich zu schaffen, aber dieser Weg ist echt hübsch.

Mein südlich von Amsterdam gelegenes Lager war die Casa Julia in Delft. Von hieraus machte ich mich zuerst auf den Weg nach Den Haag. Die Top-Attraktion ist laut vielen das Madurodam – ein Miniaturwunderland einiger niederländischer Städte. Aber um ganz ehrlich zu sein, hat sich der Eintritt absolut gar nicht gelohnt. Vor dem Eingang sind viel zu wenige Fahrradständer und innen ist die Ausstellung nicht wirklich groß oder gepflegt. Viele der Interaktionen waren kaputt, das Wasser braun und die Bauten in die Jahre gekommen. Muss man nicht unbedingt gesehen haben.

Der Strand von Den Haag hatte es mir dann schon me(e)hr angetan. Ich fuhr noch weiter in den Süden, um von den Touristenstränden wegzukommen und wurde mit den schönsten und ruhigsten Stränden belohnt, die ich am nächsten Tag erneut zu meinem Ziel machte. Und bis dahn? Ganz klar: Die kulinarischen Fähigkeiten der Niederländer auf mich wirken lassen. YUMMI!

Etwa 7 Kilometer von Den Haag entfernt liegt der Strandabschnitt Kijkduin, der mir von allen am besten gefiel. Hier hat man wirklich seine Ruhe und außer ein paar ortsansässigen Urlaubern den ganzen Strand für sich.

Delft selber ist es auch absolut wert zu verweilen. Mit einem großen Marktplatz in der Mitte, umrundet von Restaurants und winzigen Gassen an den Grachten bietet es eine einladende und entspannende Atmosphäre.

Naja … und man kann hier super essen!

Auf den Keukenhof und sein Blumenmeer wollte ich nicht verzichten und hatte Glück, denn ich war (ohne mein Wissen) tatsächlich am letzten Öffnungstag der Saison dort. Ein wirklich schönes Gelände, aber wer hauptsächlich wegen ihm die Niederlande besucht, sollte wesentlich früher im Jahr anreisen, da die meisten Tulpen selbsterständlich schon anfingen abzublühen. Trotzdem kann man bei gutem Wetter – das ich hatte (das ich immer habe, wenn ich in den Niederlanden bin … ganz ehrlich, ich kenne die Niederlanden nicht bei Regen!) – gut und gerne ein paar Stunden durch die Anlage spazieren, begleitet von live Saxophon-Musik.

Auf dem Rückweg nach Delft fuhr ich durch die Stadt Leiden. Ganz im Gegenteil zu ihrem Namen, ist es dort wunderschön! Leider wurde es schon dunkel und ich konnte nicht allzu viel Zeit dort verbringen, außer das Abendessen in einem Restaurant, dessen Philosophie es ist: Menschen sollen nie alleine essen. Deshalb bestellt man dort nur Essensplatten für mindestens zwei Personen – wer alleine kommt, sucht sich einfach einen netten und bis dato noch fremden Essenspartner.

Die Hauswände sind geschmückt mit Gedichten – sogar mein Lieblingsdichter E. E. Cummings ist vertreten!

Zwei letzte Städte musste ich unbedingt nochmal sehen: Utrecht und Rotterdam. Zwei Gegensätze ihresgleichen. Utrecht als sehr historische, alte und geschichtsträchtige Stadt und Rotterdam als moderne und architektonisch bedeutende Metropole.

Da ich aber nicht allzu viel mit Architektur anfangen können (außer „schön“ und „nicht so schön“ oder „Ist das Kunst oder kann das weg?“), dafür umso mehr mit gutem Essen, habe ich die meiste Zeit des Tages (etwa sechs Stunden) damit verbracht, mich quer durch die Markthalle zu essen. Bevor ich danach aber zu vollgegessen wär, um auf den Euromast zu klettern, habe ich das vorher noch gemacht. Auf 101 m Höhe kann man tatsächlich die ganze Stadt überblicken, da hier nicht sehr hoch gebaut wird und das gesamte Land einfach unglaublich flach ist.

Utrecht existiert seit etwa 50 n. Chr. und ist sehr stolz auf seine zweitausendjahre alte Geschichte. Ich bin nicht unbedingt der typische Museumsgänger, aber eine Stadtführung der besonderen Art sollte man auf jeden Fall gemacht haben: DOMunder heißt sie. Hier erfährt man nicht nur einiges über die Geschichte Utrechts, sondern man erlebt es. Nach anfänglichem Frage-Antwort-Ratespiel mit den unglaublich humorvollen Guides, beginnt der Abstieg in die Katakomben, bewaffnet mit einer überdimensionalen Taschenlampe, die gleichzeitig auch als Laser fungiert. Mit ihr begibt man sich auf die Suche nach Hinweispunkten, die man anvisieren und treffen muss, damit man via Kopfhörer die geschichtlichen Annekdoten erzählt werden. Indianer-Jones-Feeling und 3D-Gemäuereinbruch-Effekte inklusive! Mehr möchte ich nicht verraten …

Die Niederländer sind wahrlich eines meiner Lieblingsvölker weltweit und ihr Land ist einfach zauberhaft. Tut ihnen und mir den Gefallen und bezeichnet Amsterdam nicht als „typisch Niederländisch“ oder als einzig reisewertes Ziel. Dieses Land hat so phänomenal mehr zu bieten – lasst es euch nicht entgehen!

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