Kosovo

Die Republik Kosovo, wie das Land heute offiziell heißt, hat regierungstechnisch wirklich schon einiges mitgemacht. Bis 1992 war sie Bestandteil der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, nach der sie 1992 von der Konstituierten Föderativen Bundesrepublik Jugoslawien abgelöst wurde, um 2003 offiziell wieder eine Teilregion der Republik Serbiens zu werden. Aus diesem Grund erhält jeder Bürger des Kosovo auch gratis eine serbische Staatsbürgerschaft geschenkt, obwohl die meistens niemand haben will. Zwischenzeitlich (von 1998 bis 1999) befand sich das kleine Land auf dem westlichen Teil der Balkanhalbinsel auch noch im Krieg – dem Kosovo Krieg. Einem bewaffneten Konflikt zwischen der NATO und Serbien, in dem es Serbien um Macht und der NATO darum ging, Serbiens Armee zum Rückzug zu zwingen, um weitere Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Erschreckend, oder? Gerade einmal vor 20 Jahren herrschte in diesem Land noch Krieg. Die Unabhängigkeit von Serbien erlange der Kosovo schlussendlich am 17. Februar 2008, der bis heute nationaler Feiertag ist. Immerhin 112 der 193 UNO-Staaten erkennen aktuell diese Unabhängikeit an.

Heute hat der Kosovo 1,9 Millionen Einwohner, die sich auf eine Fläche von 10.908 km² verteilen. In wenigen Stunden hat man das Land tatsächlich komplett durchfahren. Ja, Stunden. Denn abgesehen von der neu gebauten Autobahn, die nach Albanien führt, sind die Straßen dort gar nicht mal so gut.

Im Kosovo spricht man entweder Serbisch oder Albanisch. Wer allerdings weiß, wie Albanisch in Albanien klingt, der darf sich nicht erschrecken: Im Kosovo klingt die Sprache sehr viel härter, grober und (Samandar, das ist nur für Dich) männlicher. In Pristina, der Hauptstadt, kommt man aber auch mit Englisch ganz gut durch. Sogar Deutsch verstehen und sprechen vereinzelt Bürger – auch auf den Dörfern. Bezahlt wird im ganzen Land mit Euro. Nicht, weil der Kosovo bereits EU-Mitglied oder Beitrittskandidat ist, sondern weil die Wirtschaft des Landes zu schwach für eine eigene Währung ist. So kam es auch, dass man vor dem Euro mit D-Mark bezahlte.

Eine Staatsreligion hat der Kosovo nicht. Die Republik bezeichet sich als säkular und hat dies auch so in der Verfassung verankert. (Säkularismus bezeichnet eine Weltanschauung, die sich auf die Immanenz und Verweltlichung der Gesellschaft beschränkt und auf darüber hinausgehende, religiöse Fragen verzichtet. Sie erwächst aus zwei Prozessen: Zum einen aus der Säkularisierung, also dem mentalen Prozess der Entflechtung oder Trennung zwischen Religion und Staat, zum anderen aus der Säkularisation, dem konkreten Prozess der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen. Quelle: Wikipedia) Die meisten Kosovaren sind aber offiziell Muslime.

Hmm … was erzähle ich über Pristina … ich bin ganz ehrlich: Viel oder außergewöhnlich Schönes kann man hier nicht unbedingt sehen und machen. Eine geraume Zeit lang bin ich durch die Stadt geschlendert und habe wirklich versucht, Dinge zu sehen, über die ich schreiben sollte. Fehlanzeige.

Warum bin ich also in den Kosovo gereist? Zwei Mal sogar! Das erste Mal (im August 2016) durfte ich das Land und vor allem seine Bürger kennenlernen, weil gute Freunde von mir dort geheiratet haben. Wenn man seine Wurzeln und Familie im Kosovo hat, ist es Tradition auch eine traditionelle Hochzeitsfeier vor Ort auszurichten. An genau dieser durfte ich damals mit wenigen anderen Freunden aus Deutschland teilhaben. Was ein Erlebnis! Aber davon werde ich nicht ohne Absprache mit dem Ehepaar berichten und deshalb gibt es hier auch vorerst nur ein paar Fotos davon 🙂

Das zweite Mal (im Mai 2018) bin ich in den Kosovo gereist, um meinen (allerliebsten) Cousin Samandar zu besuchen. Beide Male geschah die Anreise mit dem Auto – einmal aus Deutschland und einmal aus Albanien. Autofahren im Kosovo ist eine interessante Erfahrung und wenn man ausschließlich den deutschen Verkehr gewohnt ist, sollte man davon vielleicht absehen. Ähnlich abenteuerlich ist es in Albanien.

Im Sommer 1992 ist ein Teil meiner Familie nach Albanien ausgewandert, um dort als Pionier das Land religiös und wirtschaftlich in der Entwicklung zu unterstützen. Vor etwa 10 Jahren ist Sam dann in den Kosovo gezogen und arbeitet nun dort für eine Organisation, die mit dem Gesundheitsministerium zusammen dafür sorgt, das Land in Hinsicht auf Gesundheit und Hygiene zu verbessern und modernisieren. Ich bin ziemlich stolz!

Vier weitere Highlights habe ich aber trotzdem für euch – des spannungsbogenhalber wollte ich euch Pristina zunächst schlecht reden:

1. Der Kaffee im Kosovo ist einer der besten, den ich jemals getrunken habe. Nicht der türkische Kaffee (aber nur deshalb, weil ich ihn allgemein nicht so gerne trinke), sondern der Latte Macchiatto. Im Ernst! Da kann Italien einpacken.

2. Ein Mittagessen in der Punjabi Kitchen.

3.  Nachtisch und – of course – Kaffee im Tartine Deli.

4. Pizza und/oder Pasta im Ponte Veccio: Zum Glück für den kulinarischen Gaumen hat Italien im Kosovo tiefgreifende Spuren hinterlassen.

Auf dem Rückweg nach Albanien habe ich noch einen kleinen Abstecher in Prizren gemacht. Etwa 45 Minuten vor der albanischen Grenze befindet sich dieses kleine historische Juwel und endlich gibt es was zu erzählen. Mit 85.000 Einwohnern ist Prizren, nach Pristina, die zweitgrößte Stadt des Landes. In den vergangenen Jahrhunderten war Prizren von großer historischer Bedeutung für das Land und vor allem den dortigen Handel. Heute ist die Stadt ein wichtiger Knotenpunkt, um den man nicht herum kommt, wenn man das Land passiert. Das kulturelle Zentrum des Landes hat eine wunderschöne und teilweise noch vollständig erhaltene Altstadt mit historischen Bauten und unzähligen Moscheen.

Die Festung von Prizren, mit ihren 525 m über dem Meeresspiegel, ist defintiv den mühsamen Aufstieg durch die engen Gassen und löchrigen Straßen wert. (Watch your steps!) Anfang der 2000er fanden Archäologen erstmals heraus, dass der Platz um die Festung schon seit der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) besiedelt ist. Viel zu sehen gibt es oben nicht, aber der Ausblick ist wirklich unbezahlbar. Auch auf dem Weg nach oben kann man immer mal wieder durch die Büsche am Wegrand spicken und wird mit einem wahnsinns Ausblick belohnt, der untermalt wird von asynchron geschalteten Imame der zahlreichen Moscheen der Stadt.

Ja, touristisch und landschaftlich hat der Kosovo nicht übermäßig viel zu bieten. Allerdings hat das Land etwas ganz anderes zu bieten, das man in dieser Intensität nicht in allzu vielen anderen Ländern der Welt erleben darf: Gastfreundschaft und Wärme. (Und selbstverständlich diesen atemberaubend guten Kaffee!) Wo man auch hinkommt und wen man auch kennenlernt, man fühlt sich im Bruchteil von Augenblicken zugehörig und als Teil der Gesellschaft. Sei es bei einem Besuch im Ministerium, einem Kaffee in der Stadt oder einem Abschiedsessen einer Arbeitskollegin meines Cousins. Alle Menschen begegneten mir mit einem strahlenden Lächeln voller Herzlichkeit, Interesse und Offenheit. Und allein für dieses zauberhafte Zugehörigkeitsgefühl lohnt sich ein Abstecher in dieses kleine Land schon.

Danke für Deine Wärme, kleiner Kosovo 🙂

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